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„KI wird Berufsbilder und Arbeitsformen verändern”

Die generative künstliche Intelligenz (KI) könnte bald alle Lebensbereiche durchdringen. Mit KI-Experte Christian Hübner sprachen wir über die weitreichenden Folgen für den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft.

Herr Hübner, das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) schätzt, dass generative Systeme der künstlichen Intelligenz bis zu 330 Milliarden Euro zur deutschen Wirtschaft beitragen könnten. Können Sie diesen erstaunlich hohen Wert näher erläutern?
Das liegt vor allem an dem Potenzial der generativen KI für die Industrie, die in Deutschland im internationalen Vergleich besonders stark zur Wertschöpfung beiträgt. Hier kann auf digitalisierte und automatisierte Prozesse aufgebaut werden, um die nächste Produktivitätsstufe zu erreichen. Allerdings müsste generative KI umfassend zum Einsatz kommen, um die Effizienzpotenziale entlang der Wertschöpfungskette von der Produktion bis hin zu den konkreten Dienstleistungen für Kunden zu erschließen. Ich hoffe, dass die deutsche Wirtschaft hier nicht nur in der Industrie, sondern auch in den kleinen und mittleren Unternehmen schnell vorankommt. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands ist davon abhängig. 


Eine Studie des Internationalen Währungsfonds (IWF) deutet darauf hin, dass KI langfristig 60 Prozent aller Arbeitsplätze in entwickelten Volkswirtschaften beeinflussen wird. Welche spezifischen Veränderungen erwarten Sie in den nächsten zehn Jahren auf den globalen Arbeitsmärkten?
Ich denke, dass es für jeden notwendig sein wird, sich im Bereich KI weiterzubilden. Es wird kaum noch Arbeitsbereiche geben, die ohne KI-Anwendungen auskommen. Die Schaffung entsprechender Angebote ist deshalb sehr wichtig. KI trägt bereits heute zur Automatisierung bestimmter Aufgaben und zur Steigerung der Effizienz in vielen Branchen bei. Dies könnte auch dazu führen, dass einige Arbeitsplätze, insbesondere solche, die sich auf wiederholbare Aufgaben konzentrieren, durch KI-gestützte Systeme perspektivisch ersetzt werden. Dadurch werden sich wahrscheinlich auch die Berufsbilder und Arbeitsformen verändern, wodurch aber auch wieder neue Arbeitsplätze entstehen. Für den Fachkräftemangel, gerade in der öffentlichen Verwaltung, könnte der KI-Einsatz sogar eine Chance sein. Wenn die Beschäftigten von routinemäßigen Arbeiten durch KI-Systeme entlastet werden, können sie sich verstärkt anderen Aufgaben zuwenden.


Angesichts der Rolle der Immobilienbranche als einer der Hauptemittenten von CO₂-Äquivalenten in Deutschland: Wie kann KI effektiv zur nachhaltigen Sanierung bestehender Gebäude oder zur Entwicklung klimaneutraler Bauweisen beitragen?
KI trägt in vielerlei Hinsicht zu klimaneutraler Bauweise bei. Sie kann Gebäude schon in der Planung zu intelligenten Energiesystemen machen, die den Energieverbrauch optimieren und Kosten senken. Darüber hinaus kann KI durch die Überwachung von Sensordaten wie Temperatur, Druck und Feuchtigkeit in Echtzeit potenzielle Probleme frühzeitig erkennen und vorhersagen. Die Wartung ganzer Gebäudesysteme kann damit viel effizienter erfolgen. Es ist spannend zu beobachten, wie KI immer stärker zum Klimaschutz, sei es über den Bausektor oder auch in der Energiewirtschaft insgesamt, beiträgt.


Der KI-Boom hat die Finanzmärkte beeinflusst, und Unternehmen wie Nvidia haben signifikante Wertsteigerungen erlebt. Ist ein Höhepunkt Ihrer Meinung nach schon erreicht, oder sehen Sie einen anhaltenden Investitionstrend?
Ich vermute, dass der Trend zur Investition in KI-Technologien anhält. Den Grund sehe ich vor allem darin, dass KI in vielen Branchen immer mehr an Bedeutung gewinnt, von der Automobilindustrie über das Gesundheitswesen bis hin zur Finanzdienstleistungsbranche. Darüber hinaus ist KI-Kompetenz längst zu einem geopolitischen Faktor geworden, der im globalen Systemwettbewerb eine entscheidende Rolle einnimmt. Was zu weiteren Anstrengungen in der KI-Entwicklung und damit einhergehenden Investitionen führen dürfte.

 

„Für den Fachkräftemangel, gerade in der öffentlichen Verwaltung, könnte der KI-Einsatz sogar eine Chance sein. Wenn die Beschäftigten von routinemäßigen Arbeiten durch KI-Systeme entlastet werden, können sie sich verstärkt anderen Aufgaben zuwenden.”


Asset-Manager erkennen zunehmend das Potenzial von KI, wie eine 2023 durchgeführte Studie der unabhängigen Investmentgesellschaft Invesco zeigt, die den Einsatz von Algorithmen durch institutionelle und Wholesale-Investoren beleuchtet. Wie stark wird KI Ihrer Einschätzung nach das Portfolio-Management in der Zukunft durchdringen?
KI kann helfen, große Mengen an Daten zu analysieren und Muster zu erkennen, die für Menschen schwer zu erkennen sind. Dies kann sicherlich dazu beitragen, Investitionsentscheidungen vorzubereiten. Ich nehme an, dass KI darüber hinaus weitere technische Effizienzpotenziale zu erschließen vermag. Insofern gehe ich auch davon aus, dass der KI-Einsatz auch im Portfolio-Management weiter zunehmen wird.

 

Informationen zum Interviewpartner: Dr. Christian Hübner ist in der Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. (KAS) Experte für künstliche Intelligenz, Blockchain/Web3 und Nachhaltigkeit. Zuvor war er für die KAS in verschiedenen Funktionen im Ausland tätig, unter anderem in Hongkong, China, und Lima, Peru. In der KAS begann er als Koordinator für Umwelt, Klima und Energie. Davor arbeitete er als Volkswirt in einer Forschungseinrichtung der Leibniz-Gemeinschaft.

Infobox zu KI: Während traditionelle KI-Systeme auf die Analyse von Daten, Mustererkennung und Vorhersage von Ergebnissen spezialisiert sind, erschafft generative KI eigenständig neue, originelle Inhalte. Diese basieren auf erlernten Daten und Mustern, genutzt durch fortschrittliche neuronale Netzwerke.

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